In Hessen entsteht gerade das Re-Use-Netzwerk. Es soll einmal dazu beitragen, dass sich Reparatur, Wiederverwendung und letztlich eine Kreislaufwirtschaft weiter etablieren. Damit ein solches Netzwerk effektiv und wirksam sein kann, braucht es ein umafassendes Konzept zum Aufbau des Netzwerkes. Dieser dreiteilige Blogbeitrag erörtert zunächst den aktuellen Stand der Forschung und fragt: Warum sollten wir uns für Wiederverwendung engagieren? Der zweite Teil widmet sich dann der derzeitigen politischen Lage im Wiederverwendungssektor mit der Frage: Was gibt es bereits an Wiederverwendung in Hessen, Deutschland und Europa? Und schließlich lassen wir im dritten Teil die Katze aus dem Sack und fragen: Wie wollen wir das Re-Use-Netzwerk in Hessen aufbauen?

Warum ist Wiederverwendung wichtig?

Der Stand der Forschung.

Wo überall gibt es bereits Wiederverwendung?

Die aktuelle Lage.

Wie bauen wir das Re-Use-Netzwerk in Hessen auf?

Unser Strukurvorschlag.

Was ist Wiederverwendung?

Der Markt für Gebrauchswaren ist vielfältig. Es gibt Flohmärkte, Secondhand-Läden und Antiquitätenhandel, Online-Plattformen und Kleinanzeigen ebenso wie gemeinnützige Kleider-kammern oder Wohltätigkeitsbasare. Überall dort wo Wirtschaftszweige funktionieren, besteht für die öffentliche Hand kein Handlungsbedarf. Doch nicht immer finden Menschen eine:n Abnehmer:in für die Gegenstände, die sie loswerden möchten. Dann wird aus funktionstüchtigen Geräten und Waren Abfall zur Entsorgung. Selbst im besten Falle, wenn durch Recycling sämtliche enthaltenen Rohstoffe wieder zu Ausgangsmaterialien für neue Produktion werden, entstehen Treibhausgas-emissionen durch Transportwege, Abfallbehandlung und Neuproduktion. Und oft entsteht auch ein Ressourcenverlust, wenn die enthaltenen Materialien nicht vollständig voneinander getrennt werden können.

Eine öffentliche Aufgabe

Überall wo Abfall entsteht, der keiner sein müsste, ist öffentliches Handeln gefragt, um ökologischen Zielen der Abfallvermeidung, des Klimaschutzes und der Schonung natürlicher Ressourcen zu erreichen. Erfolgreiche Wiederverwendung erfordert drei Schritte: Fachgerechte Sammlung von wieder-verwendbaren Gebrauchswaren, Vorbereitung zur Wiederverwendung und Zuführung der Waren in eine erneute Nutzung. Diese Schritte können aus einer Hand erfolgen oder auf verschiedene Partner, Betriebe und Einrichtungen verteilt sein.

Sammlung

Zum Beispiel:

  • Sammlung an Wertstoffhöfen
  • Straßenrandsammlung (Sperrmüll)
  • Entgegennahme von Sachspenden
  • Abholung aus Wohnungen
  • Sammelboxen
  • Sammelcontainer
Vorbereitung zur Wiederverwendung

Zum Beispiel:

  • Sortierung
  • Reinigung
  • Aufbereitung (z.B. Politur, Lackierung, Software-Update)
  • Reparatur
Absatz der Gebrauchtwaren

Zum Beispiel

  • kostenfreie Abgabe an Bedürftige
  • niedrigpreisiger Verkauf an Bedürftige
  • allgemeiner Verkauf
  • Spende an gemeinnützige Einrichtungen und Projekte
  • Verkauf von Ersatzteilen

Vermeidung von Abfall

An oberster Stelle der Abfallhierarchie, noch vor der Sammlung und Vorbereitung zur Wiederverwendung, steht die Abfallvermeidung. Jedes verarbeitete Produkt, das weiter genutzt wird, statt weggeworfen zu werden, ist ein Gewinn für die Umwelt. Denn in seine Herstellung sind materielle Ressourcen und Energie eingeflossen, die bei einer weiteren Verwendung nicht für eine Neuproduktion aufgewendet werden. Überall dort wo Dinge in der Familie, im Freundeskreis oder der Nachbarschaft weitergegeben werden sowie über Flohmärkte, Kleinanzeigen oder im gewerblichen Gebrauchtwarenhandel verkauft werden entsteht erst gar kein Abfall. Ist die Weitergabe nicht mehr benötigter Gebrauchsgegenstände im privaten Umfeld oder über privatwirtschaftliche Märkte nicht möglich, und es wird stattdessen auf öffentliche Entsorgungsstrukturen zurückgegriffen, bestehen Handlungsbedarf und auch Handlungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand.

Zahlreiche Re-Use Netzwerke setzen deshalb vor allem bei kommunalen Entsorgungsbetrieben einerseits und sozialwirtschaftlichen Betrieben mit gemeinnützigem Auftrag an. Klassische Gebrauchtwarenmärkte, wie der Handel mit Antiquitäten oder mit Sammlerstücken, werden ebenso ausgeklammert wie zivilgesellschaftliche Organisationsstrukturen, wie etwa Tauschringe oder Umsonstläden. In Österreich werden die Kernaufgaben eines Re-Use Netzwerks bei der Sammlung und Weitergabe, Logistik und Aufbereitung sowie Verkauf und Öffentlichkeitsarbeit gesehen. Der nachhaltige Mehrwert von Aktivitäten im Rahmen von Re-Use Netzwerken realisiert sich in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit:

  • Die Wiederverwendung von gebrauchten Produkten und Gütern schont Ressourcen und entlastet die Umwelt nachhaltig (ökologische Dimension der Nachhaltigkeit).
  • Am Arbeitsmarkt benachteiligte Menschen bekommen neue Chancen durch Tätigkeiten in der Aufbereitung und im Verkauf von Re-Use-Produkten (soziale Dimension der Nachhaltigkeit)
  • Die Produkte und Güter werden in einem guten Preis-Leistungsverhältnis in Re-Use-Shops in den Regionen angeboten (ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit).

Drei Dimensionen der Nachhalitgkeit

ökologisch

Die Wiederverwendung von gebrauchten Produkten und Gütern schont Ressourcen und entlastet die Umwelt nachhaltig

sozial

Am Arbeitsmarkt benachteiligte Menschen bekommen neue Chancen durch Tätigkeiten in der Aufbereitung und im Verkauf von Re-Use-Produkten.

ökonomisch

Die Produkte und Güter werden in einem guten Preis-Leistungsverhältnis in Re-Use-Shops in den Regionen angeboten.

Wiederverwendung – aktuelle Herausforderungen

Die Professionalisierung von sozialwirtschaftlichen Secondhand-Warenhäusern und die Eröffnung von Kaufhäusern durch öffentlich-rechtliche Entsorger wirft jedoch neue Fragen und Herausforderungen auf. Was macht das Soziale in einer sozialwirtschaftlichen Einrichtung aus? Wo liegt der öffentliche Zweck im Betrieb eines Secondhand-Warenhauses? Die Akteure finden auf diese Fragen unterschiedliche Antworten.

In der kommunalen Abfallwirtschaft ist der Absatz von Erzeugnissen aus der Entsorgungstätigkeit eine selbstverständliche Praxis. Die gesammelten Wertstoffe werden meist an privatwirtschaftliche Recyclingunternehmen weitergegeben. Ob damit Erlöse erzielt werden oder Verluste entstehen, hängt vom Marktwert der Materialien ab. Altpapier oder Metalle können meist mit Gewinn veräußert werden, die Entsorgung von schadstoffhaltigen Abfällen hingegen ist kostenaufwändig. Die Einnahmen aus dem Verkauf von Materialien und Fraktionen trägt zur Querfinanzierung von kosten-intensiven Verfahren, wie die Entsorgung schadstoffhaltiger Abfälle. Ob Einnahmen erzielt werden können, hängt auch davon ab, ob und welche eigenen Behandlungsanlagen mit welchen Kapazitäten zur Verfügung stehen. So werden beispielsweise Müllheizkraftwerke oder Kompostierungsanlagen sowohl durch Entsorgungsgebühren als auch durch den Verkauf der entstehenden Produkte (Energie, Wärme, Komposterde) finanziert.

Für die „Behandlung“ wiederverwendbarer Güter liegt eine vergleichbare Sachlage vor. Einerseits können durch den Verkauf von Gebrauchtprodukten Einnahmen erzielt werden, andererseits besteht dem ein hoher Aufwand in Form von Sammlung, Sortierung, Säuberung, ggf. Logistik, Qualitäts- und Sicherheitsprüfung sowie ggf. Reparatur. Ein Vergleich mit dem privatwirtschaftlichen Gebraucht-handel ist nicht hilfreich, da im freien Handel nicht verkäufliche Waren oder Produkte mit zu hohem Reparaturaufwand aus Gründen der Wirtschaftlichkeit entsorgt werden.

Das Kreislaufwirtschaftsgesetz ermöglicht an dieser Stelle Handlungsspielraum, denn bei Einhaltung der Abfallhierarchie sind zu beachten: „Die technische Möglichkeit, die wirtschaftliche Zumutbarkeit und die sozialen Folgen“ (KrWG §6 Nr. 2). Diese sind im Gesetz weiter präzisiert: „Die Pflicht zur Verwertung von Abfällen ist zu erfüllen, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist, insbesondere wenn für einen gewonnenen Stoff oder gewonnene Energie ein Markt vorhanden ist oder geschaffen werden kann. Die Verwertung von Abfällen ist auch dann technisch möglich, wenn hierzu eine Vorbehandlung erforderlich ist. Die wirtschaftliche Zumutbarkeit ist gegeben, wenn die mit der Verwertung verbundenen Kosten nicht außer Verhältnis zu den Kosten stehen, die für eine Abfallbeseitigung zu tragen wären.“ (KrWG §7)

Aus dem Kreislaufwirtschaftsgesetz leiten sich somit als Herausforderungen ab:

  • Technische Möglichkeiten der Wiederverwendung verbessern
  • Märkte für Gebrauchtwaren schaffen
  • Wirtschaftlich zumutbare Geschäftsprozesse aufbauen

In sozialwirtschaftlichen Re-Use Betrieben bestehen bereits umfangreiche Kenntnisse über Abläufe und technische Herausforderungen im Hinblick auf Wiederverwendung. Organisationszweck ist jedoch meist entweder die Ausbildung, Qualifizierung und Beschäftigung oder der Zugang zu kostengünstigen Konsummöglichkeiten. Oft wird auch beides miteinander verbunden. Gewinne zu erzielen steht nicht im Vordergrund. Hieraus ergibt sich jedoch auch eine Abhängigkeit von Spenden oder öffentlicher oder kirchlicher Finanzierung. Dies ist in Bezug auf Wiederverwendung insofern problematisch, dass Mittel für soziale Zwecke in der Regel nicht nach ihrer Wirkung im Hinblick auf ökologische Ziele vergeben werden. Für zuverlässige Abläufe zur Sammlung und Vorbereitung zur Wiederverwendung wird deshalb allgemein eine Vergütung der für die Gesellschaft erbrachten ökologischen Leistungen angestrebt.

Handlungsfelder des Re-Use Netzwerks

Zusammen Wirken

  • Organisiertes Zusammenwirken regionaler Akteure zur Entwicklung und Umsetzung ökologischer und sozioökonomischer Ziele zur Wiederverwendung

  • Einbindung und Aktivierung aller Akteure

Markt entwickeln

  • Visionsentwicklung
  • Entwicklung eines attraktiven Marktes für Gebrauchtprodukte in Hessen
  • Projektentwicklung

Öffentlichkeit informieren

  • Imagebildung
  • Förderung der Kommunikation
  • Schwerpunkt in der aktuellen Kreislaufwirtschaftsdebatte: effiziente Rohstoffnutzung durch Verlängerung der Produktlebensdauer

Eine Zusammenarbeit im Netzwerk ist aus mehreren Gründen sinnvoll: Der Wirkungsradius und das Innovationspotenzial einzelner Akteure ist naturgemäß begrenzt. Eine Kommune oder ein einzelnes Warenhaus kann nur bedingt dazu beitragen, einen ganzen Markt zu entwickeln. Hier lassen sich durch koordiniertes Zusammenwirken breitere Effekte erzielen. Auch kann der Austausch über Erfolge und gescheiterte Unternehmungen im Netzwerk dazu beitragen, dass die Akteure ihre jeweiligen Aktivitäten auf bereits gemachten Erfahrungen aufbauen. Durch den landesweiten Austausch über Re-Use Aktivitäten und den Kontakt zu nationalen und internationalen Partnern kann ein Netzwerk auch übergreifende Themen bearbeiten.

Entscheidend ist dabei auch eine enge Zusammenarbeit mit Wirtschafts- und Sozialressorts, um sicherzustellen, dass kommunale Aktivitäten rund um Re-Use nicht ungewollt dazu führen, dass zivilgesellschaftliche oder unternehmerische Lösungen untergraben und oder erschwert werden.

Die Zusammenarbeit der öffentlichen Hand mit gemeinnützigen Initiativen und privatwirtschaftlichen Betrieben ist deshalb ein notwendiger Schlüssel zum Erfolg. Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Partnern geht jedoch mit zahlreichen Herausforderungen einher. In Gesprächen mit österreichischen Akteuren wurde über zahlreiche Verständnisschwierigkeiten und verschiedenen „Sprachen“ in Abfallwirtschaft und Sozialwirtschaft in den Anfangsjahren berichtet. Auch Erfahrungsberichte aus Berlin benennen Herausforderungen im Zusammenbringen der Interessen und Bedürfnisse verschiedener Akteure. Doch gelingt die Zusammenarbeit, ermöglicht sie größere Projekte wie den Re-Use Superstore. Auch im Allgäu koordiniert der ZAK Kempten ein gemischtes Netzwerk, in dem Akteure verschiedenster Tätigkeitsbereiche sich gegenseitig im Absatz sämtlicher Gebrauchtwaren unterstützen.

→ https://www.zak-marktplatz.de/