Re-Use für Ressourcen- und Klimaschutz

Die Idee der Wiederverwendung ist nicht neu, sie hat eine lange Tradition. Auf der politischen Agenda ist die Idee einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft jedoch erst in jüngster Zeit angekommen. Die europäische Union hat einen neuen Green Deal verabschiedet, um die Anreize zu setzen, dass sich die Wirtschaft ihrer Mitgliedsstaaten nachhaltig umgestaltet. Auch das Land Hessen hat sich seiner Verantwortung angenommen und eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, die einen besseren Schutz der Ressourcen sicherstellen sollen.

Die Besonderheit des Wiederverwendungssektors besteht dabei darin, nicht bloß den Schutz der Umwelt nachhaltiger zu gestalten, sondern zugleich auch soziale Teilhabe zu ermöglichen. Konsumgüter werden in gemeinnützigen Secondhand Warenhäusern auch finanziell schlechter gestellten Menschen zugänglich und zugleich entstehen Arbeits- und Ausbildungsplätze für Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt kein Auskommen finden.

Weshalb ist Re-Use wichtig?

Planetare Grenzen

2009 veröffentlicht eine Gruppe von Wissenschaftlern einen Fachartikel, in dem sie neun planetare Grenzen ausmachen, deren Überschreitung das Ökosystem der Erde existentiell gefährden. Die von Menschen verursachten Umweltschäden durch die Einbringung von Schadstoffen oder die Entnahme von Ressourcen haben bereits die Überschreitung von mindestens drei dieser Grenzen bewirkt (siehe Abbildung). Es geht den Wissenschaftlern um mehr als nur die Vermeidung von Umweltschäden als Beiprodukt des menschlichen Wirtschaftens. Das Papier ist von der Überzeugung getragen, dass der Mensch nicht außerhalb ökologischer Kreisläufe steht, sondern in diese natürlichen Prozesse eingebettet ist und diese fundamental prägt.

Wiederverwendung und Vorbereitung zur Wiederverwendung steht im Zusammenhang einer umfassenden Wertschöpfungskette. Viele gebrauchte Waren finden ihren Weg in die Wiederverwendung durch informelle Wege, etwa die Weitergabe oder das Verschenken innerhalb der Familie, des Freundeskreises oder der Nachbarschaft. Sie werden über Kleinanzeigen oder Flohmärkte verkauft oder für gemeinnützige Zwecke gespendet.

Von Felix Jörg MüllerEigenes Werk, CC BY-SA 4.0, Link

Kreislaufwirtschaft

Deswegen zielen umweltschützende Maßnahmen heute vermehrt darauf, innerhalb solcher (natürlichen) Kreisläufe zu regulieren. Die Idee einer Kreislaufwirtschaft etwa, versucht dieses Prinzip für die Erhaltung wertvoller Rohstoffe innerhalb des Warenkreislaufes umzusetzen. In Deutschland ist seit dem Jahr 2012 das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) in Kraft, das vorsieht, Abfälle vorrangig zu vermeiden oder möglichst hochwertig zu verwerten. Das Gesetz formuliert die sogenannte Abfallhierarchie,  in der die Vermeidung von Abfällen an oberster Stelle steht (siehe Abbildung). Gleich an zweiter Stelle, noch vor dem Recycling, folgt die Vorbereitung zur Wiederverwendung.

Damit Wiederverwendung möglich ist, dürfen noch gebrauchsfähige Waren nicht im Müll landen. Weder in privaten oder gewerblichen Abfalltonnen, an Wertstoffhöfen und Recyclingzentren oder bei der Rückgabe von Altgeräten im Handel. Eine beschädigungsfreien Sammlung ist die Grundlage für weitere Schritte der Vorbereitung zur Wiederverwendung. Diese reichen vom Reinigen und Sortieren sowie einer einfachen Sichtprüfung über umfangreiche Prüf- und Testverfahren bis hin zur Reparatur und dem Austausch von defekten Teilen oder ein umfangreiches Aufarbeiten der Ware. Um die Waren schließlich wieder in den Umlauf zu bringen, sind funktionierende Absatzwege notwendig. Hier reicht die Bandbreite von der Vermittlung als Spende an gemeinnützige Einrichtungen, Kunst- und Kulturschaffende über die kostengünstige Abgabe an bedürftige Menschen bis hin zum Verkauf als hochwertige Gebrauchtprodukte mit antiquarischem Wert.

Planetare Grenzen wahren durch Wiederverwendung

Unter Re-Use (deutsch Wiederverwendung) versteht man im Sinne der europäischen Abfallrahmenrichtlinie “jedes Verfahren, bei dem Erzeugnisse oder Bestandteile, die keine Abfälle sind, wieder für denselben Zweck verwendet werden, für den sie ursprünglich bestimmt waren.“ (Art. 3 Abs. 13) Durch den Weiterverkauf unbeschädigter Ware auf dem Second-Hand-Markt (resell), die Reparatur defekter Waren (repair) sowie die Wiederaufbereitung beschädigter Ware (refurbish) (oder einzelner Bestandteile) trägt dabei nicht nur zur Vermeidung von Müll bei. Bleiben Waren länger in Gebrauch, muss weniger Neuware produziert werden, wodurch Schadstoffausstoß reduziert wird und zugleich werden weniger Rohstoffe für die Produktion abgebaut.

Aus der gesetzlichen Forderung, die „Vorbereitung zur Wiederverwendung“ zu fördern, leitet sich der Schwerpunkt des Re-Use Netzwerks in Hessen ab. Kommunale Wertstoffsammlungen und kommunale oder sozialwirtschaftliche Gebrauchtwaren-Kaufhäuser sind wichtige Akteure und Umschlagpunkte, um Wiederverwendung zu ermöglichen. Um die Wiederverwendung in Hessen zu stärken, werden die Akteure eingeladen zum Erfahrungsaustausch. Damit sich gute Beispiele (Best-Practice) innerhalb Hessens schnell verbreiten.

Re-Use als öffentliche Aufgabe

Globale Probleme regional anpacken

Globale Umweltschäden, wie sie in der Überschreitung planetarer Grenzen deutlich werden, haben ihre Ursachen in ganz lokalen Kontexten. Der Modus unseres Wirtschaftens, die Organisation unserer Städte, unser alltäglicher Umgang mit Produkten, unser Verhältnis zur Welt und zueinander müssen sich grundlegend verändern, um schwerwiegende Folgen auf globaler Ebene zu verhindern. Globale Umweltschäden müssen dort angegangen werden, wo sie ihre Ursache haben: in der Ausgestaltung unseres alltäglichen Miteinanders. Deswegen kommt es darauf an, dass Länder und Kommunen die globalen und europäischen Richtlinien in konkrete Maßnahmen übersetzen und auf die spezifischen Anforderungen der Region hin ausgestalten.

Umweltschutz in Hessen

Das Land Hessen, als eine der wirtschaftsstärksten Regionen Deutschlands, betont in seinem Klimaschutzplan 2025 die Verbindung von ökonomischen und ökologischen Herausforderungen, die nicht als Gegensätze verstanden werden sollen: „Die hessische Landesregierung hat es sich zum Leitmotiv gemacht, Ökonomie und Ökologie zusammenzubringen.“ (Klimaschutzplan, S. 12) Ökonomisch soll Umweltschutz nicht nur durch die Verhinderung von Umweltschäden sein, sondern weil in einer grünen Wirtschaft neue Arbeitsplätze entstehen können.

Growth of global material use, GDP and population during the 20th century, Ecological Economics, Vol 68, Nr. 10, Krausmann et al, August 2011
Ressourcenschutzstrategie Hessen, Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Mai 2018

Schutz von Ressourcen

Ein zentraler Baustein für den hessischen Umweltschutz ist die Ressorcenschutzstrategie des Landes Hessen. Die Wiederverwendung und Reparatur von Produkten wird dort als eines der zentralen Handlungsfelder (Handlungsfeld VII) ausgewiesen. Ziel der hessischen Strategie ist es, die Wirtschaft “hin zu einer vollständigen Kreislaufwirtschaft” umzugestalten, in der dann wirklich alle Ressourcen wiederverwendet oder recycelt werden. Zunächst gilt es aber bis 2035 die Menge der Haushaltsabfälle, die durch Wiederverwendung oder Recycling in die Kreislaufwirtschaft zurückfließen, Stufenweise auf 65 Gewichtsprozent zu erhöhen. Darüber hinaus aber wird die “Etablierung einer vollständigen Kreislaufwirtschaft, in der Abfälle restlos wieder dem Wirtschaftskreislauf zugeführt werden, Kennzeichen der modernen Industriegesellschaft.“ (Ressourcenschutzstrategie, S. 39)

Die Rolle von Wiederverwendung

Als einen wichtigen Pfeiler zum Aufbau einer Kreislaufwirtschaft, fördert das Land Hessen seit Anfang 2021 den Aufbau eines Re-Use-Netzwerks in Hessen. „Mit dem Projekt soll ein landesweites Netzwerk aktiver Wiederverwender von Produkten in Hessen aufgebaut werden, um die Entwicklung von der Wegwerfgesellschaft zur Kreislaufwirtschaft zu unterstützen, natürliche Ressourcen zu schonen und die Entwicklung eines attraktiven Marktes für Gebrauchtprodukte in Hessen voranzubringen.“ (aus dem Zuwendungsbescheid des HMUKLV) In das Netzwerk bringen ganz diverse Akteure, vom Entsorger über die Reparateure zu den Second-Hand Händlern, ihre zum Teil jahrelange Erfahrung mit ein.

Von der Vergangenheit in die Zukunft

Gross-Stadtbilder, wie sie der Photograph in der 4 Millionenstadt Berlin findet!
Der Lumpensammler und seine Frau begeben sich zur Arbeit.

Kreislaufwirtschaft ist nichts Neues

Die Wiederverwendung gebrauchter Produkte, und selbst die Idee einer Kreislaufwirtschaft, ist keine neue Erfindung. Bereits im Mittelalter, und verstärkt mit dem Aufkommen der Industrialisierung, sammeln Trödler und Lumpensammler gebrauchte Alltagsgegenstände in den Haushalten ein und handeln mit diesen, indem sie sie wieder aufbereiten oder als Rohstoff (etwa an Papiermühlen) verkaufen (siehe Abbildung). In dieser Kreislaufwirtschaft finden vor allem sozial schwächer gestellte Menschen ein Auskommen.

Die soziale Dimension von Wiederverwendung

Auch heute ermöglicht eine Kreislaufwirtschaft sozial schwächer gestellten Menschen eine Existenz — nicht nur, weil Secondhand-Warenhäuser ihre Produkte zu günstigen Konditionen anbieten. Gleichzeitig bietet dieser Sektor vielen Menschen eine Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit, die auf dem ersten Arbeitsmarkt kein Auskommen finden. Re-Use verbindet also ganz traditionell umwelt- und sozialpolitische Maßnahmen. Insofern kann der Re-Use Sektor richtungsweisend sein um eine moderne Ökologie mit einer nachhaltigen Ökonomie zusammenzubringen.

Donut Economy

Die britische Ökonomin Kate Raworth hat das Modell planetarer Grenzen aufgegriffen und auf die Ökonomie übertragen: An die Stelle eines stetigen, linearen Wirtschaftswachstums tritt das Modell einer begrenzten Kreislaufwirtschaft. Neben den ökologischen Obergrenzen im äußeren Kreis definiert sie einen zweiten Typ von Begrenzung in einem inneren Kreis: Soziale Verträglichkeit und gesellschaftliche Teilhabe bilden den inneren Kreis, der nicht unterschritten werden darf (siehe Abbildung). Sie bilden die Grundlage für eine ökonomische Nachhaltigkeit. Die Donut-Ökonomie kann als strategischer
Kompass kommunale Entscheidungen stärken.

Apfelsamen, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Aus der Praxis lernen

Schon lange vor diesen neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft verband der Re-Use-Sektor also fast idealtypisch das, was eine moderne Wirtschaft ausmacht: den Schutz der Umwelt durch die Verringerung umweltschädigender Nebeneffekte und eine soziale Verträglichkeit durch die Integration sozial schwächer gestellter Menschen. Das Re-Use-Netzwerk möchte die vielfältigen Akteure aus diesem Bereich zusammenbringen, um deren Erfahrungen und das vorhandene Wissen über einen anderen Umgang mit den Ressourcen dieser Welt für uns alle nutzbar zu machen.

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Imke Eichelberg
M.A. Sustainability Economics
and Management |
B.Sc. Umweltwissenschaften

Projektentwicklung
Netzwerk Re-Use in Hessen

Tel. 069 942163 153
E-Mail: reuse-hessen@gwr-frankfurt.de

GWR – gemeinnützige Gesellschaft für
Wiederverwendung und Recycling mbH
Lärchenstraße 131
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