In Hessen entsteht gerade das Re-Use-Netzwerk. Es soll einmal dazu beitragen, dass sich Reparatur, Wiederverwendung und letztlich eine Kreislaufwirtschaft weiter etablieren. Damit ein solches Netzwerk effektiv und wirksam sein kann, braucht es ein umafassendes Konzept zum Aufbau des Netzwerkes. Dieser dreiteilige Blogbeitrag erörtert zunächst den aktuellen Stand der Forschung und fragt: Warum sollten wir uns für Wiederverwendung engagieren? Der zweite Teil widmet sich dann der derzeitigen politischen Lage im Wiederverwendungssektor mit der Frage: Was gibt es bereits an Wiederverwendung in Hessen, Deutschland und Europa? Und schließlich lassen wir im dritten Teil die Katze aus dem Sack und fragen: Wie wollen wir das Re-Use-Netzwerk in Hessen aufbauen?

Warum ist Wiederverwendung wichtig?

Der Stand der Forschung.

Wo überall gibt es bereits Wiederverwendung?

Die aktuelle Lage.

Wie bauen wir das Re-Use-Netzwerk in Hessen auf?

Unser Strukurvorschlag.

Wo gibt es bereits Wiederverwendung?

Flandern war Vorreiter

Die aktive Zusammenarbeit zwischen kommunaler Abfallwirtschaft und Sozialwirtschaft ist insbesondere in den Nachbarländern Belgien und Österreich stark etabliert. So wurde in Flandern bereits 1995 der Verein „Koepel van Vlaamse Kringloopcentra“ (KVK) ins Leben gerufen. Aus einer Vielzahl unabhängig voneinander agierender gemeinwirtschaftlicher Projekte im Re-Use Bereich entstand ein gemeinsames Netzwerk, mit dem die eigenständig agierenden Shops von sozialen Integrationsunternehmen in einen einheitlichen Markenauftritt übergeführt wurden. Die Bekanntheit und Wiedererkennbarkeit der Marke wird durch ein gemeinsames Logo, einheitliche Kommunikationsinstrumente und Marketing erreicht. Einheitliche Qualitätsstandards, auch für das Shopdesign und die Produktpräsentation sind ausschlaggebend für den Vermarktungserfolg.

Wichtiges Vorbild: Österreich

Ein anderes Beispiel für einen gemeinsamen Markenauftritt und Zusammenarbeit zwischen kommunaler Abfallwirtschaft und sozialwirtschaftlichen Betrieben ist das Projekt ReVital in Ober-österreich. Es vernetzt landesweit soziale Integrationsunternehmen, die im Bereich Re-Use tätig sind, mit der kommunalen Abfallwirtschaft (Landesabfallverband OÖ, Bezirksabfallverbänden und Landes-Abfallverwertungsunternehmen AG) und ermöglicht die Sammlung, Aufbereitung und den Verkauf von gebrauchten Produkten aus den Bereichen Elektroaltgeräte (EAG), Möbel, Sport & Freizeitgeräte und Hausrat. Seit 2009 werden Gebrauchtprodukte in ausgewählten Altstoffsammelzentren kontrolliert nach einheitlichen Qualitätskriterien gesammelt. Die Aufbereitung und ggf. Reparatur erfolgt in qualifizierten Einrichtungen. Die Waren werden unter dem neuen Markennamen als ReVital-Produkte in den Verkaufsstellen der Partner angeboten.
Auch für die Zusammenarbeit in der Vorbereitung zur Wiederverwendung finden sich zahlreiche Beispiele. Sowohl in Österreich als auch in Deutschland sind es oft sozialwirtschaftliche Betriebe, welche die Sortierung, Reinigung, Aufbereitung und Reparatur übernehmen.

Eine Dachmarke wird auch in Deutschland kommen

Qualitätsmarken für Gebrauchtprodukte wie ReVital oder das „Revisie“-Gütesiegeln von „De Kringwinkel“ verbinden Qualitätsstandards in den Abläufen bei der Entgegennahme von Sach-spenden mit einem Wertversprechen für die Kunden. In Deutschland setzt sich der Bundesverband WIR „Wiederverwendung – Interessengemeinschaft der sozialwirtschaftlichen Reparatur- und Recyclingzentren“ e.V. engagiert für eine vergleichbare Re-Use Marke ein.

Auch in Hessen gibt es Beispiele für Kooperation in der Sammlung zwischen kommunalen Entsorgern und sozialwirtschaftlichen Einrichtungen. Neben der Entgegennahme von Sachspenden direkt an Re-Use Shops, an Wertstoffhöfen und Abholung von Sachspenden aus Wohnungen kann die Sammlung auch über Pappkartons erfolgen, welche Bürger:innen zuhause packen und bei Re-Use Shops und an Wertstoffhöfen abgeben.

Neue Absatzmärkte finden

Der Absatz über bestehende Secondhand-Shops ist jedoch nur für einen Teil der Gebrauchtwaren geeignet. Denn ebenso wie im klassischen Einzelhandel sprechen die Ladengeschäfte je nach Lage, Preisgestaltung und Auftreten verschiedene Zielgruppen an. Je nach Kundenstamm kann ein und dasselbe Gebrauchtprodukt an einem Standort ein Verkaufsschlager, an einem anderen Standort Ladenhüter sein. Neue Verkaufskonzepte wie das Vintage-Generationen-Cafe Kreisler*in in Linz oder gemeinsame Verkaufsflächen für verschiedene Akteure im Re-Use Superstore im Karstadt am Hermannplatz in Berlin sind exemplarische Antworten auf diese Herausforderung.

Neben dem Ladenkonzept eines Secondhand- Kleiderladens oder eines Warenhauses mit breitem Angebot von Haushaltswaren, Möbeln und Elektrogeräten gibt es auch spezielle Warengruppen wie z.B. Künstlerbedarf und Requisiten.
Bauteile erfordern Logistik und Lagermöglichkeiten in ganz anderen Größenordnungen. Selbst Büromöbel sind meist zu umfangreich, um sie in Secondhand-Shops oder Warenhäuser zu verkaufen. Denn wenn ein Amt, eine Büroetage oder ein Hotel neu eingerichtet wird, fällt meist eine große Anzahl an Möbel an.
Doch auch der Verkauf an sich ist nur eine von verschiedenen Möglichkeiten, Waren länger nutzbar zu machen. Die Spende von Waren an gemeinnützige Einrichtungen, künstlerische und Bildungs-projekte ist ebenso Bestandteil der Wiederverwendungslandschaft wie das Einbinden von Waren in nachhaltige Tausch, Verleih- und Sharing-Konzepte.

Hebel- und Ansatzpunkte für Wiederverwendung

Ziel sollte es sein, dass Wiederverwendbares gar nicht in die kommunale Sammlung an den Wertstoffhöfen kommt. Es müssen Strukturen geschaffen werden, die es selbstverständlich machen, sowohl beim Kauf bereits auf gebrauchte Produkte zurückzugreifen, als auch bei der Entledigung darauf zu achten, dass die gebrauchten Gegenstände und Geräte einer weiteren Verwendung zugeführt werden. Beispiele für öffentliche Beschaffung von gebrauchten Waren sind bisher nicht bekannt. In Wien hat die Caritas für Büromöbel einen eigenen Verkaufsraum. In Deutschland vermittelt „weitergeben.org“ gebrauchtes Mobiliar an gemeinnützige Einrichtungen wie Schulen und Nachbarschaftszentren.
Doch es gibt auch gute Gründe für die kommunale Abfallwirtschaft, sich mit eigenen Aktivitäten an Wiederverwendung zu beteiligen. Durch eigene Beiträge zur Wiederverwendung können Arbeits-plätze geschaffen und Menschen für Wiederverwendungstätigkeiten qualifiziert werden. Durch Kommunikation und Bildungsangebote rund um die eigenen Wiederverwendungstätigkeiten kann das Thema Wiederverwendung an die Bevölkerung herangetragen werden. Auf diese Weise können kommunale Betriebe zum Innovationstreiber werden, der im besten Fall zu unternehmerischen Lösungen und ehrenamtlichem Engagement anregt und dies aktiviert. Herausragende Beispiele für wirkungsvolle Maßnahmen zum Bewusstseinswandel sind der 48er-Tandler in Wien oder die NochMall in Berlin, die in der Warenpräsentation einem modernen Kauf-haus oder dem „Flagship-Store“ von bekannten Modelabels in nichts nachstehen. Beide Kaufhäuser haben explizit das Ziel, zu einem modernen, attraktiven Image für Wiederverwendung beizutragen und gleichzeitig die praktische Umsetzung von Wiederverwendung und Schaffung von Arbeitsplätzen.

Die Finanzierung von Re-Use-Netzwerken

Der Blick nach Österreich und nach Berlin zeigt, dass der erfolgreiche Aufbau von Re-Use Netzwerken maßgeblich von öffentlicher Finanzierung abhängt. Mitgliedsbeiträge und Marken-Lizenzgebühren reichen nicht aus, um die Netzwerktätigkeiten zu finanzieren. In Berlin werden die Re-Use Maßnahmen unter dem Leitbild Zero Waste City – Abfallpolitik auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft finanziert. Auch das Land Oberösterreich hat den Aufbau der Re-Use Marke ReVital umfangreich und von Beginn an unterstützt. In zwei Förderrichtlinen werden einerseits „Reparatur-, Recycling- und Wiederverwendungsinitiativen“ und andererseits der „Ausbau von ReVital-SHOPS und Aufbereitungsbetriebe in Oberösterreich“ gefördert.

→ https://www.land-oberoesterreich.gv.at/12846.htm 

 

Weitere Optionen zur (Teil-)Finanzierung ist die Durchführung kostenpflichtiger Workshops und Weiterbildungen sowie das Beantragen und Durchführen von Förderprojekten mit verschiedenen thematischen Schwerpunkten. Hierdurch lässt sich eine Kontinuität in der Netzwerkarbeit jedoch nur schwierig aufrecht erhalten. Dies bestätigen Erfahrungsberichte von RepaNet und WIR e.V. Für eine von vielen sozialwirtschaftlichen Akteuren gewünschte Finanzierung von Re-Use Tätigkeiten aus kommunalen Abfallgebühren liegen keine Beispiele vor.

→ https://www.repanet.at/category/repanet-webinare-und-seminare/ 

Auch die Erhebung von landesweiten Daten zu Re-Use Aktivitäten im Rahmen der Erfassung von Abfallvermeidungsmaßnahmen kann ein vom Land vergebener Auftrag sein, den ein Re-Use Netzwerk übernimmt.

→ https://www.repanet.at/re-use-toolbox/re-use-repathek/repanet-re-use-markterhebung-2020/